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Meine Reise nach Tschernobyl

In der Nacht am 26.04.1986 explodierte der Reaktor Nr. 4 im Atomkraftwerk Tschernobyl in Kiew. Grund dafür war eine Fehlsteuerungen des Reaktors während eines Tests, für welchen er nicht konstruiert war. Innerhalb kürzester Zeit wurden ganze Landstriche für mehrere hundert Jahre unbewohnbar. Die Stadt Pripyat welche in unmittelbarer Nähe gelegen ist, musste vollständig evakuiert werden (50.000 Einwohner). Bis heute durfte niemand mehr in die Stadt zurückkehren. Sie ist wohl eine der bekanntesten Geisterstädte der Welt.  

Es gibt genug wissenschaftliche Artikel, welche beschreiben wie es genau zu diesem Unfall kommen konnte. Ich habe einen Link zum Überblick (Link) und zur genauen physikalischen Erklärung (Link) eingefügt. Sonst sprenge ich den Rahmen meines Blogs. 

Bis heute darf an sich ohne Dosimeter nicht in der Zone aufhalten. Manche Menschen sind wieder zurückgekehrt und leben "illegal" in ihren Häusern außer halb von Pripyat. Das Kernkraftwerk (Reaktoren 1-3) wurde übrigens erst im Dezember 2000 stillgelegt. Die Reaktoren 5 und 6 wurden nicht mehr fertiggestellt und es ist nur die Baustelle übrig.


Bevor ich meine Reise nach Tschernobyl antreten kann, musste ich mir einen Tourguide suchen und die Genehmigungen für die Sperrzonen einholen. Es werden insgesamt drei Genehmigungen gebraucht.

Quelle: www.ensi.ch/de/vergleich-zu-tschernobyl/die-auswirkungen-auf-die-umgebung/

Die erste Genehmigung ist für das Betreten der 30 Km Sperrzone in welcher die namensgebende Stadt Tschernobyl liegt. Dazu muss man seine Passdaten hinterlegen und wird von dem ukrainischen Ministerium für Strahlenschutz überprüft. Die zweite Genehmigung ist für die 10 Km Sperrzone in welcher sich die Geisterstadt Pripyat befindet und die letzte  Genehmigung ist für die 3 Km Sperrzone. Dort befindet sich der Unglückreaktor  und es herrschen besondere Sicherheitsbestimmungen, bzw man darf sich nur eine kurze Zeit dort aufhalten.


Am Morgen des 24.09.2019 klingelt also der Wecker um 5:50 Uhr. Zum Frühstück gibt's Salami und Vollkornbrot. Frisch geduscht geht es los. Ich nehmen meinen am Vorabend gepackten Rucksack und mache mich mit meiner Ausrüstung auf den Weg zum Hauptbahnhof Kiew. Es ist kalt und die Straßen sind menschenleer. Die Straßenbeleuchtung taucht den Gehweg in gelbes Licht. Die grauen Häuserfassaden wirken düster und rau, irgendwie passend zu meinem Abenteuer. Die U-Bahn war etwas belebter.

Am Bahnhof suche ich den KFC (Fastfood-Restaurant) auf, weil ich dort von meinem Tourguide abgeholt werden sollte. Ich kenne meinen Tourguide schon von den Vorbereitungen. Sie ist 21 Jahre alt und heißt Olya. Freundlich werde ich begrüßt und werde in einen Sprinter gesetzt. Es reisen noch 10 andere Abenteurer mit mir. 

Vor Abfahrt werden noch einmal kurz die Passdaten überprüft und Geiger-Müller-Zähler (zur Messung der radioaktiven Strahlung) ausgeteilt. Es gibt ein Briefing von Olya, damit niemand verletzt wird oder schlimmeres passiert. Ich habe dann gleich die Strahlung in Kiew am Hauptbahnhof gemessen um einen Vergleichswert zu haben. 

Olya beim Briefing

Der Wert 0.117µSv/h ist normal und nicht schädlich. Die Strahlung ist natürlich und wird z.B. durch Sonneneinstrahlung verursacht. Die Fahrt in zum 120 km entfernten Check-Point dauert ca. 2 Stunden. Auf der Hinfahrt wird noch mal eine Dokumentation gezeigt wie es zum Unfall kommen konnte und welche Auswirkungen es hatte. Nach dem wir den Check-Point passiert hatten ging es nach Tschernobyl. Die Straße dort hin ist mittlerweile nur noch ein schmaler "Pfad im Wald". Auf dem Weg dorthin kommen uns denkwürdige LKW entgegen.

30 Kilometer Checkpoint zur Sperrzone

LKW mit gruseliger Ladung

In Tschernobyl leben die verbliebenen Arbeiter, die sich um das AKW Tschernobyl kümmern (ca. 1500). Es gibt auch ein Hotel in dem man Übernachten kann und eine Feuerwache. Neben der Feuerwache befindet sich das Mahnmal für die verstorbenen Feuerwehrleute und Liquidatoren der Katastrophe. Das Monument wurde von den Angehörigen finanziert und nicht vom Staat. 

"Ortsschild" von Tschernobyl. Links im Bild sind schnell und unsauber gegen Radioaktivität isolierte Wasserrohre zu sehen.

Wir fahren weiter über die "Brücke des Todes" in den Roten Wald hinein. Auf der Brücke haben sich Bewohner von Tschernobyl in der Unglücksnacht versammelt um dem bunten Leuchten der Explosion zu zuschauen. Angeblich hat niemand diese Nacht überlebt. Der Wald in der nähe des Kraftwerkes, hat sich in Folge der extremen Strahlung rot gefärbt. Viele Bäume ließen ihre Blätter fallen. Aussteigen ist an diesen Stellen nicht erlaubt weil die Strahlung immer noch extrem hoch ist. Auf dem Weg nach Pripyat, müssen wir den zweiten Check-Point durchqueren. 

Straße nach Pripyat

Brücke des Todes

Der rote Wald hat sich teilweise wieder erholt. Die gelben Schilder zeigen jedoch immer noch, dass es gefährlich ist.

Die gemessene Strahlung von 6.73 µSv/h ist nun deutlich höher als in Kiew.

Man kann zwischen den Bäumen immer wieder Hochhäuser ausmachen, aber wirklich sehen ist schwer. Wir halten mit dem Wagen vor dem Krankenhaus in dem die Liquidatoren und Feuerwehr Leute direkt nach ihrem Einsatz behandelt wurden. Jedoch konnten derartige Strahlenverletzungen nicht in Pripyat behandelt werden. Die Patienten mussten nach Moskau geflogen werden um dort eine Erstversorgung zu bekommen. Die meisten starben. Die Kleidung liegt bis heute versiegelt im Keller des Krankenhaus.

Wartesaal im Krankenhaus von Pripyat

Wir machen einen "Spaziergang" durch die Geisterstadt Pripyat. Wir werden an Supermarkt und einem verlassenen Hotel vorbei geführt. Es ist wirklich eine beeindruckende Szenerie. Die Kühltruhen stehen noch im Supermarkt und auch die Schilder über den Regalen hängen noch an der Decke.Jedoch stehen die meisten Regale nicht mehr. an Ort und Stelle, sondern sind durch Plünderer und "Stalker" beschädigt worden. An einem Kanaldeckel vor dem Supermarkt wurden in unserer Anwesenheit knapp unter 300µSv/h gemessen. Durch die erhöhte Strahlung haben wir diesen Ort nach wenigen Sekunden wieder verlassen. 

Gebäude zu betreten ist seit 2012 nicht mehr erlaubt. Dennoch werden wir teilweise durch Gebäude wie dem Gefängnis geführt. Manche Zellen sind immer noch verschlossen und ich will nicht wissen wie es dahinter aussieht bzw. wer dahinter liegt. Der Zellentrakt war stockfinster, aber mit meiner Taschenlampe habe ich etwas Licht in die Zelle bekommen können. Es war Spannend und gruselig zu gleich. Die Strahlung war nahezu Null. Dennoch gilt nichts Anfassen oder auf den Boden knien.

Gleich um die Ecke (5 Gehminuten entfernt) liegt der wohl traurigste Rummelplatz der Welt. Der Rummelplatz von Pripyat, welcher nie in Betrieb ging. Denn wenige Tage vor den 1. Mai Feierlichkeiten ist das AKW Tschernobyl  (eigentlich Чернобыльская АЭС им. В. И. Ленина, übersetzt „Tschernobyler Atomkraftwerk namens W. I. Lenin) explodiert. Es merkwürdig zusehen, dass einfach alles zurück gelassen werden musste. 

Danach geht es zurück zum Bus. Und wir fahren auf des Kraftwerksgelände. Ich bin schon erstaunt , dass ich wirklich so nahe an den Reaktor komme. Unser Ziel ist das Denkmal für die Opfer der Katastrophe. Das Denkmal steht 200 Meter entfernt von der neuen Schutzhülle, welche die Strahlung des Reaktors abschirmen soll. Laut Geiger-Zähler schafft sie dies auch erfolgreich. Die Strahlung beträgt 2,379 µSv/h (keine zweitausend, sondern Zwei Komma). Ich  kann es selbst einen Tag danach noch nicht fassen.

Das Mittagessen war ebenfalls ein kleines Highlight. Wir haben in der Kraftwerkskantine essen dürfen. Sonst gibt es auch keine Restaurant in der der Sperrzone. Zuerst musste man durch die Kontaminationsprüfung und dann Händewaschen! Im ersten Stock war dann die Essensausgabe... Uff. Man fühlt sich zurück geworfen in die 1980-er Jahre zu Sowjetzeiten. Riesige Kochtöpfe. Es sieht aus wie in einer Industriehalle. Bilder machen war auch hier verboten...ich liebe verbotenes. Das Essen bestand aus einem Salat (Karotte,Tomate und Weißkohl), Hühnchen mit Reis und eine Suppe mit Kartoffeln und Rotkohl. Es war sehr schmackhaft. Die Kantine haben wir  uns mit den Kraftwerksmitarbeiter geteilt. 

Kontaminationsprüfung

Beeindruckt vom Erlebten geht es zurück nach Kiew. Vorbei an der Baustelle des Atomreaktoren 5 & 6 und Chernobyl II- Einer geheimen Ortschaft. 

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Kommentare: 2
  • #1

    P. (Donnerstag, 26 September 2019 18:40)

    Puh , schaurig schön

  • #2

    Regina (Freitag, 27 September 2019 15:02)

    Schrecklich und unheimlich. Ich weiß nicht ob ich mich dahin getraut hätte.